AUSSTELLUNG BOSCO GAUTING
Vernissage: 20. Oktober 2020
Photos: ©Mirja Kofler
DI 20. Okt 2020 – 16. Dez 2020
Vernissage Di 20.10.2020 ab 19:00
Artist Talks Beginn jeweils zur vollen Stunde
Sa 21.11.2020 zwischen 14:00 und 18:00 Uhr
Mi 16.12.2020 zwischen 17:00 und 21:00 Uhr
‘Podiumsdiskussion ‚nachhaltiges Reisen’ So 08.11.2020 um 15:00 Uhr
weitere Termine gerne nach Absprache
Über das Projekt
Als Fotografin, die hauptsächlich im Bereich Outdoor- und Reisefotografie unterwegs ist, habe ich oft mit den Konsequenzen meines Handelns zu kämpfen. Mein Team und ich reisen nicht nur in Länder und Naturschutzgebiete, die ohne uns besser dran wären. Die Bilder, die ich mache, motivieren Menschen dazu raus zu gehen und lassen sie nach Abenteuern und schöner, unberührter Natur suchen. Zu sagen: “Das Ökosystem ist sensibel, die Natur muss geschützt werden, wenn ihr was Gutes tun wollt, bleibt ihr besser Zuhause – aber schau, wie schön und aufregend das alles ist”, hat bisher noch nie funktioniert. Ich ringe häufig mit mir und damit wie ich meine Handlungen rechtfertigen und damit meiner Arbeit einen Sinn zu geben kann, der über das Offensichtliche hinausgeht. Deshalb habe ich das langfristige Projekt
THIS IS NOT TO BE SEEN *by future generations
ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Projekts möchte ich den Klimawandel und den Einfluss, den er auf die Menschen in abgelegenen und ländlichen Regionen hat, dokumentieren. Ich denke, mit meinen Bildern und dem daraus für mich resultierenden Konflikt ist es ist ähnlich wie mit dem Eisbären im Zoo: jeder weiß, dass er in freier Wildbahn glücklicher wäre, aber er dient in einem gewissen Sinne einem höheren Zweck. Der Mensch braucht die Kombination von Wissen und Emotionen um seine Trägheit zu überwinden, und die Dinge wirklich anzupacken. Wir müssen Reden! Kommunikation ist meines Erachtens immer der erste Schritt. Aber wir müssen auch dementsprechend Handeln. Ja, das ist manchmal unbequem und erfordert Umdenken, aber es liegt in unserer Hand. Jeder noch so kleine Schritt ist wertvoll, weil er andere inspiriert! Lasst es uns anpacken!
„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“
So steht es bereits 1987 im Brundtland-Bericht. Reisen – insbesondere Flugreisen – haben durch ihren Emissionsausstoß einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Klimawandel. Und auch darüber hinaus belasten Reisen die Natur mitunter in hohem Maße. Die Welt wird ‚kleiner‘, Reisen günstiger und Orte, die vor gar nicht so langer Zeit noch unerreichbar und unerschlossen waren, kann man plötzlich an einem Wochenende Kurztrip abhaken. Reisen ist zum Statussymbol unserer Generation und einer Selbstverständlichkeit geworden. Die Folgen, die das für die Umwelt und auch die Sozialstrukturen an den Orten hat, die plötzlich zu Touristen Hotspots geworden sind, ist im vollen Ausmaß noch nicht abzusehen. Dadurch entsteht gerade für Menschen, die beruflich mit Reisen und Tourismus zu tun haben, ein moralischer Konflikt, da sie durch ihr Wirken Menschen dazu animieren, sich auf Reisen zu begeben und damit die Landschaften und Naturschätze gefährden, die sie doch eigentlich bewahren möchten.
Begleitend zur aktuellen Fotoausstellung diskutieren Outdoor und Abenteuerfotografin Jana Erb (KontraPixel), Reiseexperte Ovid Jacota und rehab republic Aktivistin Laura Zwick darüber, ob es möglich ist, eine nachhaltige Lebensweise mit dem Wunsch zu reisen in Einklang zu bringen. Die zentrale Frage dabei lautet: Wie können Reisen so gestaltet werden, dass Sie möglichst geringe Konsequenzen für künftige Generationen und unsere Umwelt nach sich ziehen?
Podiumsgäste:
Jana Erb, Fotografin
Ovid Jacota, Experte für nachhaltiges Reisen
Laura Zwick, rehab republic
Moderation: Constantin Veitl
weitere Informationen und Kartenreservierung (Eintritt frei, aber begrenzte Personenzahl) auf der Website vom Bosco Gauting
NACHTKRITIK VON KATJA SEBALD
Emotionen wecken und ein Bewusstsein erzeugen. Denn wir könnten etwas ändern. Jeder einzelne könnte sein Verhalten ändern. Mit ihrem Projekt „This is not to be seen* by future generations“ versteht sich die Fotografin Jana Erb als Chronistin des Klimawandels. Ihre Landschaftsaufnahmen aus Island sind so spektakulär schön, dass man – trotz oder gerade wegen des Ausstellungstitels – unweigerlich mit eigenen Augen sehen will, was sie gesehen hat. Noch schnell, bevor es zu spät ist. Gleichzeitig bedeutet jeder Reisende und jeder, der selbst durch die verletzlich-wilde Landschaft der Insel im Nordatlantik stapft, dass die bedrohte Natur noch schneller und noch weiter zerstört wird.„Die Welt ist schön“, ruft jede einzelne Fotografie von Jana Erb. „Die Welt ist schön“, so hieß auch ein Bildband mit hundert Fotografien von Albert Renger-Patzsch, der bei seiner Veröffnetlichung im Jahr 1928 enormes Aufsehen erregte. Thomas Mann schrieb über den Fotografen, er habe „das Einzelne, Objektive, aus dem Gewoge der Erscheinungswelt erschaut, isoliert, erhoben, verschärft, bedeutsam gemacht, beseelt.“ Viele andere prominente Zeitgenossen ließen sich zu hymnischen Kommentaren hinreißen, sie feierten den „Mythos der Sachlichkeit“ und den „Realismus“, also die Unbestechlichkeit der Fotografie. Sie meinten, die Schönheit der Dinge, die in den Bildern von Renger-Patzsch sichtbar wird, sei der Beweis für ihre Zugehörigkeit zur Schöpfung – damals freilich unter Einschluss der Technik als Schöpfung des Menschen.
Wir, fast hundert Jahre später, wissen natürlich längst, dass Fotografien alles andere als objektive Abbildungen der Wirklichkeit sind. Wir wissen, dass Bilder manipuliert sind und dass sie uns manipulieren. Und nicht zuletzt wissen wir, dass die Fotografie wie kein anderes Medium geeignet ist, um Emotionen zu erzeugen. Und genau das ist nun das Dilemma, in dem sich die Outdoor-Fotografin Jana Erb befindet: Mit jeder weiteren Reportage für ein Bergsport-Magazin und mit jedem neuen Werbefoto für Outdoor-Equipment weckt sie Emotionen. Aber diese Emotionen sind eben vor allem Wünsche und Sehnsüchte. Und doch sind diese Bilder notwendig, um ein Bewusstsein für die erhaltenswerte Natur zu schaffen. Wir brauchen Fotografen, die uns zeigen, wie schön unsere Welt ist. So wie wir den Eisbären im Zoo brauchen, um uns für den Schutz der Eisbären einzusetzen, würde Jana Erb sagen.
Ihre Naturaufnahmen, auf zwei Islandreisen in den Jahren 2018 und 2019 entstanden, sind also hochpolitisch. Und dennoch verdienen sie es, als spektakulär schöne Bilder gewürdigt zu werden. Die Fotografin entdeckte ihre Motive meist nur wenige Meter abseits der üblichen Touristenrouten – einfach durch einen Perspektivenwechsel. Mit Hilfe einer Drohne fotografierte sie Flüsse und Seen, in denen sich kaltes und wärmeres Wasser mischen und dabei zusammen mit mineralischem Gestein und Sedimenten Kontraste, Schlieren und Farbexplosionen erzeugen, die in ihrer Intensität an abstrakte Gemälde von Bernd Zimmer erinnern. Andere Landschaften wirken aus der Vogelperspektive so hyperreal, als wären sie von innen heraus erleuchtet. Wasserfälle, Felsenformationen, Eisberge und Regenbogen – die Welt ist in den Bildern von Jana Erb so schön, so „erhoben, verschärft, bedeutsam gemacht, beseelt“, um mit Thomas Mann zu sprechen, dass man weinen möchte.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
INTERVIEW MIT DEM BAYERISCHEN RUNDFUNK
über mein Projekt und die Ausstellung